24.03.2017

Verabschiedung von Prof. Andreas Brandolini aus dem Hochschuldienst an der HBKsaar durch Minister Ulrich Commerçon

Architekt und Designer beendet Lehrtätigkeit im Studiengang Produktdesign


Prof. Andreas Brandolini

Deutsches Wohnzimmer, documenta 8, 1987

Little Sisters, Hocker/bench, Barhocker/barbench, Zeus, Mailand, 1984

Kinderklinik Homburg, 1995

Gaussplatz Wien, zus. mit Lindner Architektur Wien, 1996

Andreas Brandolini während des Glasworkhops im Centre International d'Art Verrier (CIAV) in Meisenthal, 2004

Glasobjekte, Centre International d'Art Verrier Meisenthal, 1998-2001

Ökologisches Landschulheim Gersheim, Interiordesign, 2005

Kugelvase, 2015

Ausstellung "Altes und neues Glas", Museum für Vor- und Frühgeschichte Saarbrücken, 2016

Prof. Andreas Brandolini, der seit Gründung der Hochschule der Bildenden Künste Saar im Jahr 1989 im Studiengang Produktdesign das Lehrgebiet „Möbel- und Ausstattungsdesign“ vertreten hat, verlässt zum Ende des Wintersemesters 2016/2017 die HBKsaar und tritt nach nahezu 30 Jahren Lehrtätigkeit in Saarbrücken in den Ruhestand.

 

„Andreas Brandolini hat sich immer engagiert in die Lehre eingebracht, er hat sich konsequent, verlässlich und, wenn notwendig, auch streitbar an der Entwicklung der Hochschule beteiligt. Er hat neue gestalterische Handlungsfelder für die Hochschule und die Studierenden fruchtbar gemacht. So war er etwa leitend beteiligt an der Entwicklung des Digitalen Produktionszentrums als experimentellem Forschungsstandort an den Schnittstellen von Technologie, Computerwissenschaften, Kunst und Design, um nur einen Aspekt aus der jüngeren Vergangenheit zu nennen“, so Rektorin Prof. Gabriele Langendorf.

Ulrich Commerçon, Minister für Bildung und Kultur des Saarlandes, verabschiedete am 23. März 2017 Andreas Brandolini und dankte ihm für sein herausragendes Engagement im Rahmen der Hochschullehre und seine vielfältigen Projektaktivitäten in der Region.

 

Andreas Brandolini, geboren 1951 in Taucha bei Leipzig, zählt zu den prägenden und innovativen Persönlichkeiten im deutschen Design der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seiner ebenso gesellschafts- und  wirtschaftskritischen wie auch sozialverantwortlichen Haltung vertrat er eine Position, die eine  experimentelle Methode als Gegenpol zum klassischen industriellen Designprozess mit seinen pragmatisch-logischen und ökonomisch-gewinnorientierten Entwurfs- und Produktionsdogmen formulierte.

Brandolini studierte zunächst  von 1973 bis 1979 Architektur an der Technischen Universität Berlin und arbeitete anschließend von 1979 bis 1981 als Designer und Architekt im Büro Produktentwicklung Roericht in Ulm. Sein Interesse für unkonventionelle Gestaltungsprozesse  mündete 1982 in der Gründung von BELLEFAST - Werkstatt für experimentelles Design,  die er gemeinsam mit Joachim B. Stanitzek in Berlin initiierte und betrieb. Hier entwickelten Architekten und Designer gemeinsam mit Handwerkern eigenständige Entwurfs-, Produktions- und Vertriebsstrukturen, die es ermöglichten, die Entstehungsprozesse von Produkten selbstbestimmt zu gestalten. Damit bestimmte BELLEFAST ein neues Designverständnis in der Bundesrepublik, das sich in den 1980er Jahren gegen die Standards des konventionellen Industriedesigns wandte. Somit zählt Andreas Brandolini zu den Mitbegründern des avantgardistischen „Neuen Deutschen Designs“, das einerseits die kontextlose Funktionalität von Alltagsobjekten in Frage stellte und andererseits damit zugleich eine neue Emotionalität in die Design-Diskussion einfließen ließ: Design außerhalb des Systems der industriellen Produktion und gespeist aus allen möglichen kulturellen und subkulturellen Quellen. Von 1986 bis 1993 betrieb Andreas Brandolini sein eigenes Designstudio in Berlin und arbeitete in den Jahren 1990 bis 1996 auch zusammen mit Jasper Morrison und Axel Kufus als „Utilism International“ an den Schwerpunkten Ausstellungsdesign und stadträumlichen Projekten. Von 1994 bis 1997 war Andreas  Brandolini mit dem Büro ARGE Brandolini-Lindner, Architekten, in Wien tätig und realisierte dort eine umfangreiche Umgestaltung des  Gaußplatzes, die sich durch eine besondere Minimalisierung von Konstruktion und Material sowie den Verzicht auf vordergründige Effekte auszeichnet.

 

Parallel zu seiner Tätigkeit als Architekt und Designer engagierte sich Andreas Brandolini auch in der Hochschullehre. Von 1981 bis 1989 war er Lehrbeauftragter für Design an der Hochschule der Künste Berlin und nahm 1984 eine Gastprofessur für Design an der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main wahr. Zudem war er Gastdozent an zahlreichen deutschen und internationalen Hochschulen, u.a. in Graz, Hamburg, London, Sao Paolo, Mailand, Brest, Nancy und Reims.

1989 wurde Andreas Brandolini auf eine Professur  im Studiengang Produktdesign an der neu gegründeten Hochschule der Bildenden Künste Saar berufen. Von 1998 bis 2001 bekleidete er das Amt des Prorektors. Während seiner Lehrtätigkeit  engagierte er sich u.a. für die stillgelegte Glashütte in Meisenthal, wo er gemeinsam mit François Burkhardt didaktische Konzepte für Hochschulprojekte entwickelte und durchführte. Das hier 1992 gegründete Centre International d’Art Verrier - CIAV gilt mittlerweile als international beachteter Ort, an dem die handwerkliche Tradition des Glasmachens und aktuelle Designformen integrativ behandelt werden. Von 1996 bis 2003 war Andreas Brandolini als Art Director des CIAV tätig und initiiert hier bis heute zahlreiche hochrangige Projekte und internationale Workshops mit Kooperationspartnern aus ganz Europa.

2012 wurde Andreas Brandolini für das umfangreiche Forschungsprojekt DECOR·UM, bei dem sich insgesamt 80 internationale Gestalter und zahlreiche Studierende an verschiedenen europäischen Hochschulen mit zeitgenössischen Interpretationen traditioneller Glasdekortechniken befassten, mit dem Landespreis Hochschullehre des Saarlandes ausgezeichnet.

Andreas Brandolini war mit seinen Arbeiten bei zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen beteiligt, u.a. bei der documenta 8, der Triennale di Milano, dem Internationalen Design-Forum Singapur und Designcenter Los Angeles; seine Arbeiten sind zudem in wichtigen öffentlichen Sammlungen – Kunstgewerbemuseen Düsseldorf und Berlin, Fonds National d'Art Contemporain,  Paris, Neue Sammlung der Pinakothek der Moderne, München – vertreten.

 

Vom 22. Oktober 2016 bis 5. März 2017 waren Glasdesign-Objekte, die unter der künstlerischen Leitung von Andreas Brandolini im Rahmen von studentischen Workshops im CIAV entstanden sind, gemeinsam mit antikem Glas aus der Staatlichen Altertümersammlung des Saarlandes in der Ausstellung „Altes und neues Glas“ im Museum für Vor- und Frühgeschichte, Saarbrücken, zu sehen.  Ein Überblick zum umfangreichen Schaffen von Andreas Brandolini findet sich im vom Institut für aktuelle Kunst im Saarland 2016 herausgegebenen „Künstlerblatt Design: Andreas Brandolini“ und im Künstlerlexikon Saar: www.kuenstlerlexikonsaar.de/design/artikel/-/brandolini-andreas/.