19.10.2017

Förderpreis Dr. Dieter & Ulrike Scheid für Bildende Kunst 2017

Preisträger: Rosita Patricia Hofmann und Mathias Aan’t Heck


Dr. Dieter Scheid und Ulrike Scheid mit den Preisträgern Rosita Patricia Hofmann und Mathias Aan’t Heck , Foto: Ingeborg Knigge

Rosita Patricia Hofmann: „xyz“ – die drei Achsen der räumlichen Wahrnehmung, Projektion

Mathias Aan’t Heck: 1831, Bleistift auf Papier, 100x150cm

Im Rahmen der Eröffnung des Wintersemesters 2017/2018, am 16. Oktober 2017, wurde an der HBKsaar zum vierten Mal der „Förderpreis Dr. Dieter & Ulrike Scheid für Bildende Kunst“ vergeben.

 

Der Förderpreis, der jährlich je eine herausragende Abschlussarbeit im Studiengang Freie Kunst an der HBKsaar auszeichnet, wurde von dem Sammlerehepaar Dr. Dieter und Ulrike Scheid gestiftet.

Eine Jury, der, neben den Stiftern, der künstlerische Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, Dr. Roland Mönig, Gabriele Langendorf, Professorin für Malerei und Zeichnung und Rektorin der HBKsaar und Eric Lanz, Professor für Video und künstlerische Fotografie, sowie der frühere HBKsaar-Professor Sigurd Rompza angehörten, ermittelte im Jahr 2017 zwei Preisträger.

Die Jury gelangte nach intensiver Diskussion in ihrer Beurteilung zu einer qualitativ gleichwertigen Positionierung beider Arbeiten. Die Stifter erhöhten die Dotierung von 2.500 Euro auf 3.000 Euro, sodass nun ein Preisgeld von je 1.500 Euro an Rosita Patricia Hofmann für ihre Diplomarbeit „xyz“ sowie an Mathias Aan’t Heck für seine Diplomarbeit „Homburg“ vergeben wurde.

 

Die Förderpreise wurden von Dr. Dieter und Ulrike Scheid übergeben, die die Jury-Entscheidung wie folgt begründeten:

„In ihrer Arbeit „xyz“ thematisiert Rosita Patricia Hofmann die formalen und inhaltlichen Darstellungsaspekte des menschlichen Leibes anhand des medizintechnologischen Verfahrens der  Magnet Resonanz Tomographie, MRT.

Auf der Basis elektromagnetischer Impulse ermöglicht das MRT eine differenziert-analytische Bildgebung der menschlichen Anatomie analog der drei räumlichen Schnittebenen, x y z, des mathematischen Koordinatensystems. Voraussetzung für die Erzeugung eines in diagnostischer Hinsicht objektiv-aussagekräftigen MRT-Bildes ist in der Regel ein passives Verhalten des Patienten gegenüber der Bildmaschine und deren technischen sowie räumlichen Vorgaben – bewegungsloses Liegen in der „Röhre“, zeitweiliges Anhalten der Atmung.Rosita Patricia Hofmann konterkariert dieses Mensch-Maschine-Verhältnis, indem sie den aktivierten Leib in von ihr selbst gewählter Positionierung als experimentelle Bildmöglichkeit einbringt. Das MRT durchläuft den Körper in 13 verschiedene Bewegungshaltungen wie auch Ausdrucksgesten und erstellt in langwierigen Aufnahmeprozessen sequenzielle Bilder einzelner Körperebenen.

Aus diesen Sequenzen generiert Rosita Patricia Hofmann drei auf eine Wandfläche projizierte Videoloops, die den drei räumlichen Schnittebenen entsprechen und die auf eigentümliche Weise das leibliche Kontinuum im fließenden Übergang der Bilder sichtbar machen und zugleich durch Fragmentierung und Dekonstruktion in Frage stellen.

Rosita Patricia Hofmann gewinnt mit ihrer Arbeit eine neue Dimension des technisch basierten Körperbildes, das einerseits hinsichtlich der anatomischen Analyse funktionsfähig ist, das allerdings andererseits als künstlerisches Bild eine fragile Wirklichkeit im eigenen ästhetischen Wirkungsraum formuliert.

 

Mathias Aan’t Heck beschäftigt sich im Medium der Zeichnung mit dem menschlichen Leib im Stadium des Todes. Über mehrere Monate hin arbeitete er in den Sektionssälen des anatomischen Instituts der medizinischen Fakultät an der Universität des Saarlandes in Homburg und befasste sich zunächst mit zeichnerischen Studien von anatomischen Körperpräparaten. Ausgehend von der zergliederten, postmortalen Leibesstruktur wendet sich Mathias Aan’t Heck dem gesamtkörperlichen Zusammenhang zu und zeichnet die Leichen von Körperspendern nach der Fixation mit Formalin in verschiedenen Perspektiven.

Im Gegensatz zur langen künstlerischen Tradition des anatomischen Studiums, das darauf abzielt, die Strukturen und Funktionspotenziale des menschlichen Leibes im lebendigen Zusammenhang des handelnden Vollzugs darzustellen, beschränkt sich Mathias Aan’t Heck gleichermaßen sachlich wie auch sensibel auf die objektive Zuständlichkeit des leblosen Körpers. Mit akribischer Genauigkeit wird die Oberflächenstruktur der Haut mit ihren Falten, Wülsten und Erschlaffungen in hoher zeichnerischer Qualität erfasst und somit gleichsam ein Zustandsprotokoll des Todes erstellt.

Als Motiv der Anschauung wird der tote Leib ohne metaphorische Erhöhung sowie ohne Verweise auf Lebensvergangenheit und Individualität gezeigt – der verstorbene Mensch als entseelter Gegenstand.

Dieser Objektcharakter erfährt eine Intensivierung durch die Präsentation der großformatigen Zeichnungen mittels einer eigens angefertigten Konstruktion mit Schubfächern, die mit den am anatomischen Institut in Homburg verwendeten Katalognummern der entsprechenden Körperspenden versehen sind und die eine Analogie zu Leichenschaukästen der Pathologie erwecken.

Die Zeichnungen von Mathias Aan’t Heck zeigen den toten Körper als empirisches Faktum. Darüberhinausgehend verbleiben sie allerdings nicht lediglich in der Dokumentation der anatomischen Wirklichkeit, sondern formulieren eine leibliche Wahrheit als künstlerische Vergegenwärtigung des Naturhaften – auch des Todes als Teil unseres Lebens.“