Herguijuela, Ricarda: "Selfie"
Lanz, Eric (Prof.), Winzen, Matthias (Prof. Dr.) Kunsterziehung Staatsexamen 2017 SS
In meiner Abschlussarbeit Selfie habe ich mich mit der Selbstinszenierung und der Fremdwahrnehmung im digitalen Raum beschäftigt.
Von der Geburt bis zum Tod ist das Ich online verzeichnet, in Fotografien inszeniert, alles wird dokumentiert, alles, was man anderen mitteilen möchte, in Szene gesetzt – und so auch alles Mögliche an nicht gewollten Informationen in den digitalen Raum gestellt. Der menschliche Körper wird verzerrt, durch die Trennung von Ort und Raum, in der die Wahrnehmung stattfindet, welche nicht jener entspricht, die sich von Angesicht zu Angesicht abspielt. Körpersprache und Mimik verändern sich, die kulturellen Unterschiede weichen auf und es entwickeln sich internationale Standards der Darstellung des menschlichen Körpers. Der Körper wird digitalisiert, auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Dabei werden unmögliche Positionen eingenommen, perfekte Situationen, perfekte Körper, perfekt wahrgenommen. Die Wahrnehmung des Selbst findet durch die Wahrnehmung der eigenen Bilder und die Reaktionen auf diese statt. Dieser neue Zwischenschritt in der Wahrnehmung verzerrt den Wahrnehmungsprozess, entfremdet menschliche Zwischenbeziehungen, welche durch passives Betrachten in den digitalen Raum überführt wurden. Dieser Raum kreiert die Illusion der Grenzenlosigkeit, der Freiheit, die ganze Welt erleben zu können. Die Selbst- und Fremdwahrnehmung wird aber auch gleichzeitig psychologisiert, welche durch die Zweidimensionalität eine starke Rahmung erfahren. Die Bilderflut ist nicht gleichzusetzen mit Informationsflut über Individuen, dennoch kann man durch den digitalen Raum eine Tür in das Wohnzimmer Fremder oder der Nachbarn öffnen, selbst wenn diese nie eingeladen haben. Das Private wird zunehmend öffentlich, die Rolle, die Maske, kann keine Sekunde mehr abgenommen werden, jeden Augenblick finden soziale Interaktionen statt. Die Frau bleibt die ganze Zeit entweder Mutter oder Fleischobjekt, am besten beides gleichzeitig, zu jeder Zeit. Und das muss in schönen, interessanten Bildern festgehalten werden, jedoch nicht zu selbstverliebt, denn sie darf nicht zu sehr in den Vordergrund treten – außer ihre Brüste - denn sie ist eine Frau. Dieser digitale Raum ist zugleich ein kommerzieller Raum, welcher nach kapitalistischen Regeln spielt und zum Konsum anregt. Immer auf dem neuesten Stand, immer online. Schnell die Bilder durchscrollen, von einem Bild zum nächsten springen, sie in einen Zusammenhang stellen, oder auch nicht.
Abb: